Das Reisebüro wurde zur Nähwerkstatt

Ein Interview mit Helga Lösch und Beate Petersen von der „Reiseinsel“ in Erfelden

 

Frage: „Frau Lösch, die Reiseindustrie gehört zu den am schwersten betroffenen Branchen in der Corona-Krise. Wie haben Sie die Entwicklung erlebt?“

Helga Lösch: „Anfang März erfuhren wir durch die Medien das „Corona“ nicht nur China und den asiatischen Raum betrifft. Das Virus hatte sich bereits in anderen Ländern ausgebreitet. Auch in Deutschland gab es erste Fälle. Von einem auf den anderen Tag musste jetzt gehandelt werden. Reisen wurden kurzfristig abgesagt und storniert. Andere Kunden saßen bereits auf gepackten Koffern. Die Unsicherheit war groß und es entstand eine außergewöhnliche Situation. Veranstalter, Reisebüros und Kunden mussten schnell reagieren.
Durch den Ausbruch der Pandemie an verschiedenen Reisezielen, in Hotelanlagen und auf Kreuzfahrtschiffen wurden innerhalb weniger Stunden alle Reisen abgesagt.“

Frage: „Wie haben die Veranstalter reagiert? Wurden Sie ausreichend unterstützt und informiert?“

Beate Petersen: „Die deutsche Bahn reagierte sehr schnell. Sie bot den Reisenden an, die Fahrkarten auf andere Züge oder Termine kostenfrei umzubuchen. Tickets konnte man für alle Züge nutzen.

Die Reiseveranstalter reagierten auf die Einreiseverbote der verschiedenen Länder und die jeweiligen Reisewarnungen unterschiedlich. Als erstes war ja der asiatische Raum betroffen, danach Italien, Spanien, die USA, Groß Britannien und zum Schluss auch Deutschland. Es wurden immer wieder neue Informationen zu Einreisestopps mitgeteilt. Dadurch entstand eine große Unsicherheit. Wir wurden fast täglich neu informiert. Diese aktuellen Informationen gaben wir dann immer sofort an unsere Kunden weiter. Als wenige Tage später alle Grenzen geschlossen wurden, war Reisen nicht mehr möglich.

Eine solche weltweite Reisewarnung gab es noch nie. Flugzeuge, Busse, Schiffe und Autos standen still. Ausgangssperren und Ausgangsbeschränkungen wurden verhängt. Die Reisebranche als gewaltiger Wirtschaftssektor brach zusammen.

Die Bundesregierung startete eine weltweite eine Rückholaktion. Die Reisenden aus Deutschland wurden innerhalb von wenigen Tagen aus der ganzen Welt zurückgeflogen.

Die Reiseveranstalter bieten aktuell kulante und kurzfristige Stornobedingungen sowie gebührenfreie Umbuchungen, Gutscheine oder Bonus für die Zeit nach der Krise an.

Wir als Reisebüro sehen uns als Vermittler zwischen den Veranstaltern und den Kunden. Über E-Mail und Telefon sind wir nach wie vor erreichbar, da wir wegen der Hygienevorgaben und Kontaktbeschränkungen den persönlichen Kundenkontakt nicht wie gewohnt wahrnehmen dürfen. Die bereits bestehenden Reisen wurden alle storniert und Neubuchungen waren und sind noch nicht absehbar. Für uns als Büro bedeutete das, Kundenservice und Informationsaustausch. Jedoch ohne Verdienst.“

Frage: „Was reagieren Ihre Kunden auf die Situation?“

Helga Lösch: „Ein großes Lob an unsere Kunden. Sie reagieren sehr vernünftig, warten geduldig auf Rückerstattungen der Reiseveranstalter, die momentan so langsam anlaufen. Einige Kunden nehmen auch die Gutscheinregelungen der Veranstalter an. Wir stehen ständig in Kontakt mit unseren Kunden und sind für Rückfragen erreichbar.“

Frage: „Wie sind Sie auf die Idee gekommen Masken herzustellen?“

Helga Lösch: Jeder kennt die Bilder aus Asien. Dort gehören die Masken im öffentlichen Raum zum alltäglichen Bild. In den Medien wurde der Nutzen der Masken diskutiert. Leider gab es in Deutschland keine Masken auf dem Markt. Hier wollten wir helfen.

Mitte März entwickelte ich einen ersten Prototyp der Stoffmasken. Im Internet gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine Schnittmuster.

Die Materialbeschaffung war die nächste Herausforderung. Alle Stoffgeschäfte waren geschlossen und auch im Internet war es kaum möglich Materialien zu bestellen. So machte sich Beate Petersen auf die Suche und nahm Kontakt mit mehreren Großhändlern auf.

Durch Mundpropaganda wurden die schön gestalteten Stoffmasken im Freundeskreis schnell bekannt. Die Nachfrage stieg ständig an – besonders als dann alle Menschen im öffentlichen Raum eine Maske tragen sollten und keine Masken vorhanden waren.

Jetzt wurde genäht bis die Nähmaschine glühte. Es entstanden immer neue Kreationen.

Frage: „Das klingt nach einer Herzensangelegenheit.“

Beate Petersen: Ja, uns geht es hauptsächlich darum einen sozialen Beitrag zu leisten. Wir spenden viele unserer Stoffmasken an verschiedene Institutionen. Vom Verkauf der Masken geht ein Anteil an bedürftige Menschen. Viele Kunden stocken diesen Betrag gerne noch auf.

Wir haben viel Freude an der Arbeit und die Ideen gehen uns nie aus. Wir entwickelten Stoffmasken in allen Mustern und Farben. Für Kinder, in Sondergrößen und für besondere Anlässe. Sogar für ein Brautpaar haben wir Masken entworfen.

Bestellungen nehmen wir gerne per E-Mail kreativ.ried@gmail.com entgegen.

Frage: „Wie geht es mit Ihrem Reisebüro weiter?“

Helga Lösch: Wir arbeiten seit November 2019 ohne Verdienst. Fast alle Buchungen wurden storniert. Die Provisionsvorauszahlungen wurden von den Veranstaltern bereits zurückgefordert. In absehbarer Zeit wird es so gut wie keine Neubuchungen geben.

Also keinen Verdienst für uns. Unsere Kosten laufen jedoch weiter. Für die Reisebranche ist das eine Katastrophe.

Unser Reisebüro existiert seit 26 Jahren und wir haben schon so einiges erlebt. Zuletzt die Insolvenz von Thomas Cook 2019. Auch da waren wir stark betroffen.

Doch gemeinsam mit unseren treuen Kunden werden wir auch die Corona-Krise überstehen. Davon bin ich überzeugt.“

„Ich bedanke mich für das Gespräch und wünsche Ihnen Glück und Gesundheit für die kommenden Wochen und Monate sowie viel Erfolg.“

 

C. Junglas, „Made in Südhessen“

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